Fanmarsch, Tradition, Stimmung - und eine kleine Invasion be
17.07.22 - Es war einmal ein Abend, den der SV Wölf nicht besser hätte malen können. Bestes Fußballwetter, einzigartige Atmosphäre, buntes Treiben mit vielen Aktivitäten - und eine volle Hütte mit 2.000 Zuschauern. Dass Eintracht Frankfurts Traditionsmannschaft bei den Alten Herren des SV Wölf mit 15:3 (5:3) gewann, war eher zweitrangig. OSTHESSEN/NEWS war vor Ort und hat eine Reportage erstellt.
Quelle: Osthessen-news.de Toller Artikel und super fotosDie eigentliche Nachricht des Tages macht schon weit vor Beginn des großen Spiels die Runde. Und irgendwie hat der Ringberg an diesem besonderen Tag eine besondere Bedeutung. Irgendwo von oben aus seinem Auto heraus schaut Markus Wiegand dem Treiben zu. Er hat Corona-Symptome. Wiegand, die gute Seele des SV Wölf, Unterstützer und Rückgrat des Vereins seit Jahrzehnten, wesentlicher Mit-Organisator des Festes, kann nicht mittendrin sein. Dabei ist er sowieso.
Die Eintracht in der Region. Sie kommt zu den Fans
Anstoß ist um 19 Uhr. Mittlerweile ist es 17.15 Uhr. Die Ringberg-Arena füllt sich. Eintracht, wohin man nur schaut. Alle in Eintracht-Klamotten. Ein Fan-Shirt erinnert an Tradition, drückt Lebensgefühl aus. Fan-Dasein halt. "Du, meine Eintracht, jeden Tag und jede Nacht. Meine schöne Diva vom Main. Nur du bist mein Verein. Schwarz und Weiß wie Schnee. Nur die SGE."
Charly Körbel
Mo Idrissou
Slobodan Komljenovic
"Eintracht in der Region" heißt die Werbe-Kampagne, die Tradition in den Mittelpunkt stellt, Emotionen anzapft und zu der "die Legenden" des Fußball-Bundesligisten Eintracht Frankfurt aufs Land kommen. "Die Eintracht will dahin, wo die Fans sind", sagt der Sportmoderator von "Hit Radion FFH", das die Aktion mit LOTTO-HESSEN unterstützt. Die Fußball-Hymne "Football is coming home", dröhnt aus den Lautsprechern - nur umgedichtet: "Eintracht kommt nach Haus."
Es ist 17.55 Uhr. Zeit für ein Gruppenbild mit den 45 Jugendlichen, die von kurz nach 16 Uhr unter Anleitung einiger Eintracht-Größen wie Norbert Nachtweih, Manni Binz, Cezary Tobollik und anderen, trainieren durften. Ein Foto, das auch die fleißigen Social Media-Kräfte der Eintracht ablichten. Fotograf. Kamerateam. Ein Video-Filmchen hier. Ein Video-Filmchen dort.
Prompt mischt sich ein Team unters Volk. Es fängt Eindrücke der Fans auf. Auch das gehört zum Programm. Das dreiköpfige Team landet bei Jürgen Pempel, Stadionsprecher und langjähriger Vorstand des FSV Eintracht Stadtlengsfeld. Pempel ist Eintracht-Fan von Kindesbeinen an, wie so viele hier. Schon einmal kam er in den Genuss eines kurzen Video-Drehs. In Hamburg war das. Vor langer Zeit. Das Kamerateam ist nett. Wahnsinnig nett. Glaubwürdig. Und es klaut den Fans die Emotionen von der Seele.
210 Vereine hatten sich beworben bei der Kampagne. 210 Ü35-Teams. Zehn wurden ausgewählt. Auch der SV Wolf. "Ein Wahnsinn. Man kann es mit Worten gar nicht beschreiben. Seitdem bekannt wurde, dass wir den Zuschlag bekommen haben und uns Charly Körbel angerufen hat, steht das Dorf Kopf", sagt Manuel Böttinger vom SV Wölf über Lautsprecher. Sein Verein freut sich über die Einnahmen, die nach zwei entbehrungsreichen Corona-Jahren für jeden Verein auf dem Land elementar sind, wichtiger sei aber, was Eintracht-Legende Charly Körbel betont, dass "die Leute und die Jugend wieder zusammenkommen". Böttinger fällt es leicht, zu ergänzen: "Wenn man in die Gesichter der Zuschauer schaut: Alle lachen."
Andreas Spieß: Sind eine Eintracht-Hochburg in Wölf
Torjubel beim SV Wölf
Die Bank des SV Wölf
René Dieterich (links) gegen Slobodan Komljenovic
Auch Andreas Spieß, der Stadionsprecher des SVW, kommt zu Wort. "Wir sind hier eine Eintracht-Hochhburg", sagt er zunächst. Spieß, im Team mit Michael Abel und Holger Mörmel, ist Mit-Ideengeber des Videos, das der SV Wölf einreichte. Die Alten Herren stellten das berühmte Freistoßtor des Ungarn Lajos Detari nach, aus dem DFB-Pokal-Finale 1988. "Was könnte der Piekser sein, um zu gewinnen?", überlegte das Team. Die gewinnbringende Idee sei nachts im Bett gekommen. Übrigens: Detari, der am Dienstag noch einen Autounfall hatte, war vor Ort in Wölf und kickte einige Minuten mit.
Mittlerweile ist es 18.27 Uhr. Der Fanmarsch setzt sich in Bewegung, so hat man den Eindruck. Drei Minuten später - noch eine halbe Stunde ist es bis Spielbeginn - setzt er sich in Bewegung. Vom Ringberg hinunter, der ein zweites Mal ins Spiel kommt. 150 Fans des EFC Eitratal Adler. 50 Fans der Mückenstürmer aus Bad Hersfeld. Dazu Fans der Werratal Adler. Patrick Röder von den Eitratatal-Adlern hat die Chose initiiert, zwei Stunden sind sie in Bussen angereist, Pierre Möller von den Mückenstürmern tritt später vor das Mikro des FFH-Moderators.
Josef Hahner führt den Anstoß aus - auch Klaus Vaupel betritt die Bühne
Endlich beginnt das, weshalb alle gekommen sind. Das Spiel beginnt. Der Vergleich der Einheimischen, in denen der Ehrgeiz brennt, gegen Kicker einst großen Namens. Oder immer noch. Jeder will wissen, was die noch drauf haben. Josef Hahner, der erst vor wenigen Tagen 80 wurde und als 75-Jähriger noch bei den Alten Herren des SV Wölf mitkickte, darf den Anstoß ausführen. Auch eine Schiedsrichter-Legende der Einheimischen betritt die Bühne: Klaus Vaupel, der mit über 70 immer noch Spiele der Junioren pfeift.
Die erste spektakuläre Aktion der Partie gehört - nicht eben unerwartet - der Eintracht. Uwe Bindewald flankt gefühlvoll aus dem Halbfeld, Patrick Ochs verlängert - und Tobias Nophut, Eintracht-Fan durch und durch, rettet wagemutig und lenkt den Ball ans Lattenkreuz. Dann kann der SVW klären. Die SGE streichelt die Kugel - doch Wölf geht wenig später in Führung. René Dieterich setzt mit gekonntem Steilanspiel den emsigen Michael Steinhauer in Szene, der Eintracht-Keeper kommt raus, vermag aber nicht richtig zu klären - Marcus Weyer profitiert davon und schießt die Kugel ins verwaiste Tor. Der SVW führt gegen Eintracht Frankfurt - wer hätte das gedacht?
Der Genuss hält nicht lange an - Bewegungsreichtum der Eintracht
Doch die hält nicht lange an. Binnen zwölf Minuten zieht die Eintracht auf 5:1 davon. Mo Idrissou, der sein erstes Spiel für die Traditionsmannschaft bestreitet, trifft doppelt - auch Michael Thurk hat von seiner Treffsicherheit nichts verlernt, ihm gelingen zwei seiner insgesamt sechs Tore. Was die "Eintracht-Legenden" fürs Fußball-Herz bieten, das ist ein Genuss. Vor allem die Art, wie sich bewegen, macht Spaß. Immer wieder Kurz-Kommen, immer wieder Spiel miteinander, Bälle klatschen lassen, Räume besetzen - vieles funktioniert noch. Ob bei Rudi Bommer, Slobodan Komljenovic, Thurk, Lothar Sippel oder Kickern, die sich von hinten einschalten.
Hätten hiesige Kicker den Spaß-Fußball aufgenommen, sie hätten nichts falsch gemacht. Bommer ist laufstark wie früher, baut auf, lässt sich fallen, begibt sich oft in torgefährliche Halbräume, vor allem über links - er spielt einfach schlau. Doch der SV Wölf wehrt sich tapfer. Er verteidigt trotz allem aufopferungsvoll. Und er wagt sich nach vorn. "Tormaschine" Michael Hohmann und Weyer verkürzen zum 3:5-Pausenstand. Wer gehofft hatte, die Eintracht lässt nach im zweiten Abschnitt, der hat sich getäuscht. Zehn Tore noch legen die Ex-Profis nach. Jetzt muss der Gastgeber klein beigeben.
Nophut: Jahrelang stand ich in der Kurve. Jetzt sind sie hier. Was willst du mehr?
Das Spiel ist aus. Kids stürmen den Platz. Die SGE erfüllt Autogrammwünsche. Und Tobias Nophut, dem zwei Herzen in seiner Brust schlugen und der so toll hielt, sagt mutig: "Die dritte Halbzeit geht an uns." Nachher lässt er seinen Gefühlen noch frein Lauf. "Jahrelang stand ich in der Kurve. Aufgestiegen, abgestiegen. Und jetzt sind sie hier. Was willst du mehr?"
Erst in den frühen Morgenstunden des Samstags endet das Erlebnis für den SV Wölf. Erst da macht er den Deckel auf die Geschichte. Jedenfalls fürs Erste. Nein, ein Märchen war das Ganze nicht. Oder doch? Wenigstens ein bisschen. Es war der 15. Juli 2022. Ein Tag, der in die Geschichte des Vereins eingehen wird. (Walter Kell) +++